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Cancel Culture und Rufmord

Prof. Dr. Christian Rieck

Auf individuelle Karrieren, Meinungsfreiheit und den gesellschaftlichen Diskurs sind enorm

BERLIN · Cancel Culture beschreibt das Vorgehen, Personen wegen (vermeintlichem oder tatsächlichem) Fehlverhalten aus dem öffentlichen Diskurs auszuschließen. Es gehen oftmals Rufmordkampagnen voraus, bei denen Äußerungen bewusst verzerrt interpretiert oder wiedergegeben werden. Dieses Video zeigt anhand fiktiver Beispiele, wie solches bewusstes Falsch-verstehen oder Falsch-wiedergeben aussehen kann. Es gibt aus spieltheoretischer Sicht zwei interessante Aspekte, die damit einhergehen:

1. Die betroffene Person interagiert zunehmend mit einer Gruppe, die sie nicht kritisiert, und radikalisiert sich damit zu gewissen Grad selbst. 

2. Wenn ein bestimmter Schwellwert in der öffentlichen Wahrnehmung überschritten wird, entsteht ein Koordinationsgleichgewicht, bei dem auch einstmals neutrale Beobachter gezwungen sind, öffentlich eine ablehnende Position einzunehmen.

 

Cancel Culture, ein Begriff, der in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Er beschreibt den öffentlichen Boykott und die Ächtung einer Person aufgrund vermeintlich unangemessenen Verhaltens oder kontroverser Aussagen. Eine der ersten Stufen dieses Prozesses ist oftmals ein Rufmord, bei dem Wörter absichtlich missinterpretiert und verdreht werden, um die Reputation einer Person zu schädigen.

Historisch gesehen gab es immer wieder Ereignisse, die als Vorläufer der heutigen Cancel Culture angesehen werden können. Ein Beispiel dafür ist die McCarthy-Ära in den USA in den 1950er Jahren, als vermeintliche Kommunisten gejagt und diffamiert wurden. Ähnlich wie beim Rufmord wurden hier Worte und Aussagen aus dem Kontext gerissen, um Menschen zu diskreditieren und ihre Karrieren zu zerstören.